Meine Texte
Highlights liberaler Nationalismen
Plötzlich sind sie überall: Plakate für die Europawahlen! Also wird es auch Zeit, einmal einen Blick auf vorherrschende Arten des bürgerlichen / liberalen Nationalismus zu werfen – wer weiß, vielleicht findet ihr ja sogar eine Art, die euch ganz besonders zusagt!
1. Der Euronationalismus:
Das ist der perfekte Nationalismus für alle, die traurig darüber sind, dass nur zur WM mit Deutschlandfahnen gewedelt werden darf! Deutschland ist über alles ist nicht mehr so einfach vertretbar, aber Europa über alles ist richtig en vogue!
Wer sich zu fein dafür ist, die Deutschlandfahne zu schwenken, sollte es stattdessen mit der Europafahne tun, wie es die Grünen so schön demonstrieren. Und nicht vergessen, die gemeinschaftlichen europäischen Werte zu beschwören und sie gegen die Barbarei des „Ostens“ zu positionieren.
Ein weiterer Vorteil davon ist, dass sich Krieg so perfekt mit den Worten „Frieden schützen“ rechtfertigen lässt:
2. Der Ersatznationalismus:
Wenn mensch nicht stolz auf Deutschland sein darf, muss mensch sich halt ein anderes Land suchen. Wie wäre es mit Israel? Immerhin haben Deutsche früher schreckliche Verbrechen an jüdischen Menschen verübt. Deshalb muss halt alles, was ein Staat tut, der vorgibt, im Interesse jüdischer Menschen zu handeln, vorbehaltlos unterstützt werden. Vielleicht mit Bauchschmerzen, wenn ein paar zu viele Zivilist:innen niedergemetzelt werden.
Hier hätte ich gerne dieses AfD-Plakat eingefügt, bei dem sie sich gegen „importierten Antisemitismus“ aussprechen, aber leider habe ich es nicht mehr gefunden. Nicht, dass sie die einzige Partei wäre, die so tut, als wären alle und nur Menschen, die nicht in Deutschland geboren worden sind, antisemitisch eingestellt, aber sie sind meines Wissens die einzigen, die es so offen auf einem Plakat geschrieben haben.
Also liefert Deutschland weiterhin massenweise Waffen nach Israel, während es gegen Antisemitismus im Inland vorgeht, indem jegliche Demo, die Kritik an Israel wagt, mit harten Auflagen bestraft oder gleich ganz verboten wird. Immerhin könnten in der aufgeheizten Stimmung antisemitische Parolen fallen. Natürlich könnten sie das und natürlich hat nicht jede pro-palästinensische oder israelkritische Demo einen emanzipatorischen Ansatz, aber was bringt es jüdischen Menschen, die berechtigte Angst haben, weil ihnen teilweise Davidsterne an die Tür gesprüht werden, die Meinungs- und Demonstrationsfreiheit einzuschränken?
Deutschland will wie immer nur sein Image aufpolieren und sich als nach dem 2. Weltkrieg geläutert darstellen, ohne etwas dafür zu leisten. Und während einige Gruppen vorgeben, sich gegen den deutschen Staat zu richten, schlucken und verbreiten sie eigentlich genau dessen Propaganda.
3. Last, but not least - Der Standortnationalismus:
Das ist die liebste Nationalismus-Art von DGB-Funktionär:innen. „Wir müssen alle den Gürtel enger schnallen für Deutschland“ ist auch einfach nicht so schmissig wie „Wir müssen alle den Gürtel enger schnallen für den Standort Deutschland.“
Kompromisse für den Standort Deutschland einzugehen, bedeutet in erster Linie zwei Dinge: Erstens wird das Wohlergehen „Deutschlands“ über das anderer Länder gestellt, eine internationalistische Sichtweise wird von vorneherein verhindert. Es geht nicht darum, ein gutes Leben für alle zu schaffen, sondern höchstens für diejenigen, die in Deutschland leben und arbeiten.
Zweitens muss die Konkurrenzfähigkeit Deutschlands um jeden Preis gewahrt werden, was natürlich bedeutet, dass keine allzu großen Forderungen an die sogenannten Arbeitgeber:innen gestellt werden dürfen. Immerhin könnte das Unternehmen beschließen, seinen Standort auszulagern und dann bringen die fünf Prozent Lohnerhöhung auch nichts mehr. Deshalb besser von vorneherein drei Prozent fordern.
Die deutsche Zusammengehörigkeit wird beschworen, um die Arbeiter:innen davon abzuhalten, aufzumucken und zu fordern, was uns zusteht. Stattdessen sollen wir auch mal die Position der armen Arbeitgeber:innen einnehmen und bloß nicht zu gierig werden.
Natürlich bedeutet das auch, dass um den Erhalt deutscher Unternehmen gekämpft werden muss, egal wie scheiße sie sind. Denn das Zweitschlimmste, was einer:m deutschen Arbeitnehmer:in passieren kann, ist für ein ausländisches Unternehmen zu arbeiten. Vom Schlimmsten, arbeitslos zu sein, wollen wir hier gar nicht reden.
Aber natürlich schließt diese freundliche Art des Nationalismus keine Geflüchteten und Migrant:innen aus – solange sie benötigte Fachkräfte sind, denn inhärenten Wert als Menschen haben sie nicht.
Aber mal Spaß beiseite: Nationalismus sieht nicht immer aus wie klar faschistische Politiker:innen, die davon reden, massenhaft abzuschieben. Er kann auch aussehen wie klar sozialdemokratische Politiker:innen, die massenhaft abschieben. Jetzt aber wirklich: Nur, weil mensch gegen Rassismus ist und ein vage linkes Selbstbild hat, heißt das noch lange nicht, dass mensch selbst verinnerlichte Nationalismen durchdrungen und vor allem bekämpft hat.
Das ist eine Sammlung kürzerer Werke anderer Autor:innen, die mich irgendwie beeinflusst haben - manchmal inspiriert, manchmal belustigt. Einige haben Dinge präzise zusammengefasst, andere einen anderen Blickwinkel auf die Dinge offenbart. Fast nie würde ich diese Aussagen vollkommen unterstützen.
Köstliche Ungeheuer: Aphorismen und Manifeste, Francis Picabia
Aphorismen
Es gibt weder Landschaften noch Porträts, alle Bilder sind Stillleben - totenstill wie diejenigen, die sie malen.
Wenn ihr saubere Ideen haben wollt, wechselt sie wie die Hemden.
Nur einer kann uns wirklich verraten - derjenige, der für uns wichtig ist.
Es gibt jetzt keinen Himmel mehr; es gibt das Absolute, das Recht spricht, indem es den Irrtum heiligt, um aus ihm eine Wahrheit zu machen - eine Wahrheit, die die vom kleinen Augenblick des schönen Wahns erschöpften Armen entfernt.
Ich verkleide mich als Mensch, um nichts zu sein.
Aphorismen aus "Der poetische Humor"
Dort, wo die Kunst zum Vorschein kommt, verschwindet das Leben.
Ich habe das Paradies an einem Sonntag verlassen, um mir an einem Freitag an der Küste Rosen anzusehen.
Die Welt teilt sich in zwei Kategorien: die Versager und die Unbekannten.
Man sollte nicht vergessen, daß der größte Mensch nichts anderes ist als ein als Gott verkleidetes Tier.
Alles für heute; nichts für gestern, nichts für morgen
Manifeste
KÜHLES LICHT
Da ich nie gläubig gewesen bin, war ich gezwungen, mir eine Seele zu schaffen, denn ich liebe es zu lieben. Meine Seele glaubt an mich und ich … an das, was ich will!
Man hat mir immer gesagt, ich sei ein Maler – ich weiß es nicht. Schon als Kind habe ich Farben benutzt, aus diesen Farben ist ein Bild geworden, dann ein anderes Bild und noch andere Bilder, aber es ist eigentlich immer dasselbe Bild. Es ist „Kleiner Hund“, „Das Kind Vergaser“, „Papagei“ oder „Martigues“, es ist „Sevilla“, „New York“, „Paris, „London“, „Monte-Carlo“ oder „Bécon-les-Bruyéres“; es ist „Udnie“, es ist „Dada“, „Olivenbäume“ oder „Spanierinnen“, es ist das Meer, die Sonne, ein Witz.
Alles kann ein Witz sein oder nicht, nicht wahr? Die Dinge haben nur den Wert, den man ihnen zugesteht. Doch man darf nicht die Kraft mit der Mode verwechseln: Die Kraft erhebt sich, während die Mode klein und engherzig bleibt, engherzig wie der Kommunismus, also Schwachsinnigkeit.
Mussolini mag ein gefährlicher und beunruhigender Verrückter sein, mir ist er jedoch immer sympathischer als das Bild eines Lenin, das aus einem solchen Material gemeißelt ist, das sich die Menschen wie Zuckerstückchen teilen, die man Hunden gibt. [...]
DIE KUNST
Das Prinzip des Wortes SCHÖNHEIT ist nur eine automatische und visuelle Konvention. Das Leben hat mit dem, was die Grammatiker Schönheit nennen, nichts zu tun. Die Tugend wie der Patriotismus existieren nur für eine durchschnittliche Intelligenz, die ihr ganzes Leben dem Sarkophag gewidmet hat. Man muß die Quelle von Männern und Frauen austrocknen, die die Kunst wie ein Dogma betrachten, dessen Gott die akzeptierte Konvention ist. Wir glauben genausowenig an Gott wie an die Kunst oder an ihre Priester, Bischöfe und Kardinäle.
Die Kunst ist und kann nur der Ausdruck unseres zeitgenössischen Lebens sein. Die Schönheit, ein Institut, ähnelt nur dem Musée Grevin und geht leicht in die Seeleder Verkäufer und Kenner der Kunst, Hüter der Museumskirche der Kristallisation der Vergangenheit.
Tralala Tralala
Da machen wir nicht mit.
Wir ernähren uns nicht in Robert Houdins Büro der Erinnerungen und Vorstellungen.
Ihr versteht nicht, was wir tun, nicht wahr?
Nun, liebe Freunde, wir stehen es noch weniger, na, was für ein Glück, Ihr habt recht. – Aber glaubt Ihr, dass Gott englisch und französisch konnte??? ???
Ihr erklärt ihm das Leben in diesen beiden schönen Sprachen Tralala Tralala Tralala Tralala Tralala Tralala.
Seht also mit Eurem Geruchssinn und vergeßt das Feuerwerk der Schönheit zu 100.000 200.000 oder 199.000.000 Dollars.
Jetzt habe ich genug, diejenigen, die nicht verstehen, werden nie verstehen und diejenigen, die verstehen, weil man schließlich verstehen muß, brauchen mich nicht.
Seite 43
„Erlauben Sie mir eine Frage: Wenn Sie so scharfsichtig sind, warum malen, zeichnen und schreiben Sie?“
„Ich bin der einzige, der nach dem Tod der Kunst nicht von ihr geerbt hat. Sie hat alle Künstler, die ihrem Trauerzug folgen und durch die Welt wandern, in ihrem Testament bedacht, nur mich hat sie enterbt. Was mir wiederum die Freiheit läßt, alles zu sagen, was mir durch den Kopf geht und das zu tun, was mir gefällt.“
Gedichte
DADAISMUS - INSTANTANEISMUS
JOURNAL DES INSTANTANEISMUS
EINE ZEITLANG
IST DER INSTANTANEIST EIN
AUSSERGEWÖNHLICHER
ZYNISCHER UND UNSITTLICHER MENSCH
DIE EINZIGE BEWEGUNG
IST DIE UNAUFHÖRLICHE BEWEGUNG!
DER INSTANTANEISMUS IST FÜR DIEJENIGEN,
DIE ETWAS ZU SAGEN HABEN.
ES GIBT NUR EINE BEWEGUNG:
DIE UNAUFHÖRLICHE BEWEGUNG!
In der nächsten Nummer gibt "391" die Liste der ersten Instantaneisten, dieser aussergwöhnlichen Menschen, bekannt.
Antwort auf eine Umfrage
-Glauben Sie, daß ein Mensch
Hungern und Dürsten lernen kann?
-Wo die Kunst aufhört,
wo das Leben anfängt,
Ich bin der Poet meines Lebens,
Alchimisten
Astrologen
Zauberer
Hunger und Durst
nach dem eigenen Leben
um mich zu stärken
glauben Sie, es interessiert mich
daß der Mensch lernen kann
was die anderen wissen?
Ein Gedicht muß das sein
was noch nicht existiert,
was keinen Wert hat
so wie die Natur
die als solche keinen Wert hat.
Mein Ideal hindert mich daran, die guten Sitten der Gesellschaft zu sehen.
Der Erfolg eines Mißerfolgs ist ein Erfolg.
Das Leben hat weder Ziel noch Ergebnis.
Meine Malerei ist eine Frau, die von ihrem Mann nichts wissen will, wenn es darum geht, zusammen zu schlafen.
Was ist die Malerei?
Etwas zu tun, was keinen Namen hat, obwohl man es vor Augen hat.
In der Art und Weise, wie Bilder heute gemalt werden, macht sie nur das Etikett wichtig.
Der originale Mensch ist der namenlose Mensch.
Zitate
Alles ist Arbeit: Mühe und Lust am Ende des Kapitalismus, Mareile Pfannebecker und James A. Smith
""Die Internetnutzung ist produktiver Konsum oder prosumption in dem Sinne, dass sie einen Wert und Ware schafft, die verkauft wird", erklärt Christian Fuchs, der diesen Begriff geprägt hat." - S. 94
"Es ist kein Zufall, dass diese Beispiele befriedigender menschlicher Betätigung [aut Marx] - vom Fischen bis zur Aischylos-Lektüre - nur aus produktivem Vergnügen bestehen." - S. 45
""Im Hinblick auf die vielen modernen Produkete - von Fertigmahlzeiten, hochkoffeinhaltigen Getränken, Autowaschanlagen, Reparaturdiensten, Kinder- und Altenbetreuung, Fitnesstrainer, Partnervermittlung und so weiter - die von unserem Freizeitmangel profitieren", so Frayne, "ist es keine Überraschung, dass viele der Leute, die ich traf, durch Weniger-Arbeiten Geld sparten. Sie konnten mehr für sich selbst machen." [...]
Weiterhin riskiert dieser Schachzug [zu behaupten, das Selber-machen sei zwangsläufig besser], die fundamentale Geste des industriellen und Nachkriegsarbeitsregimes zu wiederholen: also bezahlte Arbeit qualitativ von häuslicher und sozial-reproduktiver Arbeit zu trennen [...]. Mehr-selber-machen erscheint nur dann als notwendigerweise befreiend, wenn eine anstrengende Beschäftigung ausschließlich in Form der Lohnarbeit unerwünscht ist. Kinderaufziehen und KOchen seien demnach das unentfremdetste und höchste Gut... zumindest bis man dafür bezahlt wird - erst dann werden sie unmittelbar in schlechte Arbeit verwandelt." - S. 41f
Insurrektionalistische antiautoritäre Internationale, Alfredo M. Bonanno
"Ich muss die Initiative ergreifen, ich bin es, der verstehen muss, wogegen ich zuschlagen kann, nicht als Antwort auf eine repressive Tatsache, die mir widerfährt, denn es ist keine besondere Grausamkeit der repressiven Tatsachen nötig, um zum Angriff überzugehen.
Das Kapital, der Staat, existieren und aufgrund der blossen Tatsache, dass sie existieren, und wären sie auch die idealen Modellgefängnisse der Welt, so wären sie genauso zu zerstören." - S. 233
Hauptsache Arbeit, Ludwig Unruh
"Mittels der gezielten Erhöhung der Anforderungen (Management by Stress) werden die Angstellten außerdem gezwungen, beständig weitere Schwachstellen bzw. zurückgehaltene Reserven in der eigenen Arbeit abzubauen. Sie werden somit zu ihren eigenen Antreibern und denen der Kollegen, ohne daß man die erhöhte Belastung dem Chef zuschreibt, da ja schließlich dafür der anonyme Marktdruck verantwortlich gemacht wird. So kommt es, daß die Unternehmen es sich zunehmend leisten können, die sogenannte "Vertrauensarbeitszeit" einzuführen, da es sich im Grunde keiner erlauben kann und will, vorzeitig nach Hause zu gehen. Im Gegenteil, die Anzahl der 'freiwillig' geleisteten Überstunden ohne Bezahlung, die Mitnahme der Arbeit nach Hause usw. nimmt zu. Der Sozialwissenschaftler Dr. Klaus Peters benannte in einer Untersuchung das Dilemma, vor dem heute die Gewerkschaften stehen: 'Wenn man unter den neuen Bedingungen an den alten Formen der Interessenpolitik festhalten wollte, müßte man jetzt die Beschäftigten vor sich selbst schützen. Und das kann nicht gelingen!'" - S. 24f
Mein Katalonien, George Orwell
"Ich mache mir nichts Besonderes aus dem idealisierten "Arbeiter", wie er sich in den Gedanken des bürgerlichen Kommunismus spiegelt. Wenn ich aber einen lebendigen Arbeiter aus Fleisch und Blut im Kampf mit seinem natürlichen Feind, dem Polizisten sehe, brauche ich mich nicht zu fragen, auf wessen Seite ich stehe." - S. 155
Veganarchismus, Neo C.
"Veganismus als Veränderung des Konsumverhaltens ist nicht das Ziel eines Befreiungskampfes, sondern eine Begleiterscheinung [...]. Wenn sich an den grundsätzlichen Dingen wie den Eigentumsverhältnissen, der Produktionsweise, der Güterverteilung, der hierarchischen Organisationsstruktur usw. nichts ändert, wäre auch ein universeller Veganismus kein Durchbruch im Kampf für eine befreite Gesellschaft."
Norbert Trenkle, Irrwege der Kapitalismuskritik
"Aus dem fetischistisch verkehrten Schein der Verhältnisse erklärt sich auch der weit verbreitete, besonders ausgeprägte Affekt gegen das an den Finanzmärkten akkumulierende Kapital und seine Akteure, die Banken und Finanzinvestor innen jeder Art. Denn hier stellt sich die Selbstbezüglichkeit der Bewegung des Kapitals in ihrer reinsten Form dar. Wird Kapital in der sogenannten Realwirtschaft, also in der Sphäre der Güterproduktion, verauslagt, muss es, um den Selbstzweck der der Geldvermehrung zu füllen, immer den Umweg über die Produktion von stofflichen Produkten nehmen. Der Kreislauf der Akkumulation ist erst abgeschlossen, wenn das Kapital die produzierten Waren verkauft und den in ihnen dargestellten Mehrwert realisiert hat. Die Bewegung des Kapitals folgt also dem Schema G-W-G' (Geld - Ware - mehr Geld), wobei der zusätzliche Wert durch die Verausgabung von Arbeitskraft in der Produktion entsteht. An den Finanzmärkten hingegen entfällt dieser Zwischenschritt. Hier bezieht sich das Geld unmittelbar auf sich selbst und vollzieht die Bewegung G-G' und es entsteht so der Schein, als könnte es direkt aus sich selbst heraus zusätzlichen Wert schöpfen. Marx spricht in diesem Zusammenhang vom "fiktiven Kapital". Doch das sollte nicht zu der Annahme verleiten, dieses Kapital sei irgendwie "unwirklich". Es ist genauso real wie jedes andere Kapital auch, nur dass es im Unterschied zum "fungieren den Kapital" (Marx) in der Güterproduktion keinen Wert akkumuliert, der bereits in der Vergangenheit durch die Verausgabung von Arbeitskraft entstanden ist, sondern stattdessen auf zukünftigen, erst noch zu produzierenden Wert vorgreift." - S. 61
"Richtig ist allerdings, dass in der binnengeschichtlichen Entwicklung der kapitalistischen Gesellschaft die politischen Spielräume zumindest phasenweise deutlich größer waren als heute. Das gilt insbesondere für die Epoche des fordistischen Booms, der genau deshalb auch zum Bezugspunkt für eskapistische politische Phantasien geworden ist. Da die industrielle Massenproduktion noch ins tarkem Maße auf den nationalstaatlichen Rahmen angewiesen war, schon allein deshalb, weil die riesigen Produktionsanlagen nicht so ohne Weiteres verlagert werden konnten, besaß die Politik eine relativ große Macht. [...] In der Ära des fiktiven Kapitals hingegen, in der sich die Dynamik der Akkumulation in Ermangelung einer hinreichenden realökonomischen Verwertungsbasis an die Finanzmärkte verlagert hat, ist die Politik weitgehend zu einer abhängigen Variable geworden." - S. 67